Camino dezentral erzählt von ein paar Menschen, die sich wie einst die Bremer Stadtmusikanten in der Gewissheit auf den Weg gemacht haben, etwas Besseres als den Tod überall finden zu können. Nur gehen die im Roman alle erst einmal einzeln los, treffen sich unterwegs, verbinden sich, verheddern sich, verwandeln sich halb zu Pilgern und halb zu Märchenfiguren. Den roten Faden, der sie aus dem Labyrinth hinausführen soll, spinnen sie sich aus ihren Lebensgeschichten zusammen. Wobei interessant ist, dass nicht nur Ariadne fehlt, sondern auch der Minotaurus. Die Figuren bleiben im Labyrinth gefangen. Es ist spannend zu verfolgen, wie es ihnen dabei ergeht und was für ein Erzählgewebe sich daraus noch entspinnen wird. Der existentielle Mut der Bremer Stadtmusikanten könnte ein guter Stern über ihrem Zusammensein im Unterwegssein sein. Und in gewisser Weise auch der Titel von Shakespeares Komödie Much ado about nothing. In diesem Sinn wünscht sich die Jury, dass Jasmine Kellers Camino dezentral mit der Unterstützung eines Lektorats noch deutlicher zu einem so gehenden wie vergehenden Roman von Menschen und ihren Geschichten werden könnte. Friederike Kretzen

 

JASMINE KELLER,*1986, Winterthur, Literatur, Lektoratsbeitrag CHF 10’000.

Visuals: Porträtbilder © Marcel Bruderer. Foto Solothurner Literaturtage 2019 © zVg